Wie weit dieser Prozess vorangeschritten ist, wie sich der Arbeitsalltag der Beschäftigten im Bürobereich verändert und wie sich in der Folge Kommunikationsprozesse und Arbeitsumgebung entwickeln, beleuchtet derzeit das Trendbüro, Hamburg, im Auftrag des bso Verband Büro-, Sitz- und Objektmöbel, Wiesbaden.
Die Ergebnisse der mehrstufigen Studie mit dem Titel "New Work Order" werden im Rahmen der Orgatec, der internationalen Leitmesse für Büro- und Objekteinrichtungen, am 24. Oktober 2012 in Köln vorgestellt.
Kommunikation nach dem Vorbild Sozialer Netzwerke
Bereits die erste Analyse der Trendforscher zeigt, wie wichtig "Teilen" für die Ökonomie der Zukunft sein wird. Längst finden sich einzelne Unternehmen zu Ausbildungskooperationen zusammen, entwickeln gemeinsame Produkte oder bieten gemeinsame Serviceleistungen an.
"Der Fachkräftemangel, das Altersbeben, die Dialogbereitschaft der Kunden und die Notwendigkeit interdisziplinärer Impulse erfordern heute eine zusätzliche Öffnung nach außen sowie eine intensivere Vernetzung nach innen", erläutert Birgit Gebhardt, Direktorin des Trendbüros, die derzeit zu beobachtende Beschleunigung dieser Entwicklung. Eine starke Triebfeder dürften zudem die Kommunikationsgewohnheiten der nachrückenden Arbeitnehmergeneration sein. Das Teilen von Information ist für sie ebenso Alltag wie die Kooperation auf Basis geteilter Werte.
Ihr wichtigstes Werkzeug sind die Sozialen Netzwerke, in denen sie Gleichgesinnte oder Experten zur Beantwortung ihrer Fragen finden, Wissen und Meinungen austauschen, Termine verabreden und ihre Aktivitäten dokumentieren. Dass diese Funktionen nicht nur für private Zwecke oder politische Aktivisten nutzbringend sind, stellen seit geraumer Zeit auch immer mehr Unternehmen fest.
So schaltete beispielsweise zu Jahresbeginn der Automobilzulieferer Continental aus Hannover unter der Bezeichnung "ConNext" ein internes soziales Netzwerk frei. Zunächst konnten die Mitarbeiter im Bürobereich kleine Blogeinträge auf der neuen Plattform einstellen, mittlerweile wurde ein "File-sharing" freigeschaltet, das es den Mitarbeitern ermöglicht, Dateien und damit Wissen gemeinsam zu generieren.
Im dritten Schritt sollen innerhalb von "ConNext" sogenannte "Communities" gebildet werden, in denen sich Abteilungen, Projektteams oder Expertengruppen austauschen können. Der Aufwand den Continental für die Einführung von "ConNext" betreibt, dürfte erheblich sein. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die neuen Werkzeuge andere Kommunikationswege nicht vollständig ersetzen sollen.
Die Motivation das Großprojekt dennoch in Angriff zu nehmen, erklärt Martina Girkens, Head of Corporate Functions der Continental AG, in einem Interview mit dem Trendbüro unter anderem mit den Folgen des Lean Managements. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns zu sichern, seien schlanke und schnelle Prozesse unabdingbar, allerdings hätten diese in der Vergangenheit zu einer Einschränkung der Flexibilität geführt.
Nun soll die abteilungs- und funktionsübergreifende Vernetzung der Mitarbeiter für neue Spielräume sorgen. Ähnliche Überlegungen scheinen gut ein Drittel aller Arbeitgeber im deutschsprachigen Raum zu beschäftigen. 35,8 Prozent aller Unternehmen, so die Ergebnisse im Rahmen der "New Work Order"-Studie durchgeführten telefonischen Befragung von rund 600 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sammeln derzeit Erfahrungen mit Web 2.0-Anwendungen und Social Software für die interne Kommunikation und die Projektarbeit. Genutzt werden Blogs,Foren, Activity Streams, Soziale Netzwerke und Unternehmenswikis. Die ersten Erfahrungen sind positiv und lassen auf eine Ausweitung der Aktivitäten schließen.
Dennoch ziehen sich die Unternehmen, die im Rahmen der Telefonbefragung oder in Einzelgesprächen interviewt wurden, keineswegs in den virtuellen Raum zurück. Während sich die digitalen Kommunikationsplattformen immer größerer Beliebtheit erfreuen, haben 29,3 Prozent der befragten Unternehmen neben ihren klassischen Büro- und Besprechungsräumen eigene Räumlichkeiten für die Projektarbeit eingerichtet.
Mit 37,0 Prozent liegt diese Quote bei den Unternehmen, die bereits mehrere Web 2.0-Instrumente zur internen Vernetzung einsetzen, sogar noch deutlichüber dem allgemeinen Durchschnitt. Außerdem misst diese Gruppe dem attraktiven Arbeitsumfeld eine deutlich höhere Bedeutung bei als Betriebe, die sich bislang nicht mit den neuen Kommunikationswerkzeugen auseinandergesetzt haben.
Damit stellt sich auf Unternehmensebene ganz offensichtlich ein ähnlicher Effekt ein, wie bei den privaten Nutzern sozialer Plattformen. Die virtuelle Kommunikation ersetzt bei der Mehrzahl der Nutzer nicht das persönliche Treffen, sie wird vielmehr eingesetzt, um dieses zu ergänzen, vorzubereiten und im Idealfall effizienter zu gestalten.
Auch im Hause Microsoftbegreift man den Einsatz der hauseigenen "Collaboration Software" und die Gestaltung der Büroarbeitsplätze als Einheit. Während jeder Mitarbeiter angehalten wird, die neue Technologie zu nutzen, analysiert das hauseigene Real Estate Portfolio Management, wie sich die Anforderungen an die Arbeitsplätze verändern. Die Neugestaltung der Räumlichkeiten soll sich künftig streng an den Anforderungen der Kommunikation orientieren. Definiert werden einheitliche Standards, die sich an lokale, technische und wirtschaftliche Erfordernisse anpassen lassen.
Einen ganz anderen Weg auf der Suche nach einer neuen, effizienteren Arbeitskultur geht man beiTUI in Hannover. Die Touristiker hatten nicht die einzelnen Büroarbeitsplätze im Visier sondern einenOrt, an dem frische Ideen entstehen können und an dem eine Begegnung mit dem Branchennachwuchs und externen Fachkräften möglich ist. Herausgekommen ist mit dem "Modul57" ein von TUI betriebener "Coworking-Space", ein Arbeitsort, den sich die eigenen Projektteams mit konzernunabhängigen Mietern teilen.
Für Hendrik Hund, den Vorsitzenden des Büromöbelverbandes bso, markieren die beiden Beispiele nur einen kleinen Ausschnitt der Veränderung des Arbeitsortes "Büro": "Wir werden auch in naher Zukunft konventionelle Büroarbeitsplätze brauchen. Diese werden aber zunehmend ergänzt durch spezifische Bereiche, die von Unternehmen zu Unternehmen ganz unterschiedlich aussehen werden."
Der Vertreter der deutschen Möbelhersteller sieht hierbei die Branche in der Pflicht, ihre Kunden durch eine individuelle Beratung zu unterstützen. Um diesen Prozess zu bereichern, wird sich der gerade begonnene letzte Teil des Trendprojektes ausführlich mit der künftigen Funktion des Arbeitsortes Büro und den daraus abgeleiteten Anforderungen beschäftigen.
Trendforum der Orgatec 2012
Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung werden am Vormittag des 24. Oktober in Köln in drei Vorträgen und einer Podiumsdiskussion präsentiert. Unter der Moderation des Journalisten und Buchautors Dr. Hajo Schumacher wird Birgit Gebhardt zunächst die zentralen Ergebnisse der "New Work Order"-Studie vorstellen.
Sie wird ihren Blick - wie schon im gesamten Projekt - vor allem darauf richten, wie Unternehmen sich den neuen Herausforderungen stellen, wie sich beispielsweise das Denken in Abteilungsgrenzen aus den Köpfen verbannen lässt und wie sich Projektteams aufgrund ihrer inhaltlichen Qualifikationen finden und selbst organisieren können.
Dem bisher wohl konsequentesten Praxisbeispiel aus dem Kreis der bisherigen Interviewpartner des Trendprojektes widmet sich der zweite Vortrag. Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender der Synaxon AG, wird im Anschluss an die Präsentation von Birgit Gebhardt erläutern, wie sein Unternehmen das Instrument "Liquid Feedback"für die innerbetriebliche Entscheidungsfindung nutzt.
Der börsennotierte IT-Spezialist mit 130 Mitarbeitern in Deutschland und England vertreibt seine Produkte in ganz Europa über ein Vertriebsnetz von 2.800 selbständigen Partnern. 2006 führten Roebers und seine Kollegen ein Unternehmens-Wiki ein. Im Laufe der Zeit wuchs jedoch der Wunsch einen offeneren Dialog zu ermöglichen. Deshalb wird bei Synaxon seit Jahresbeginn das durch die Piratenpartei bekannt gewordene "Liquid-Feedback-Tool" genutzt. Es ermöglicht eine radikale Selbstorganisation der Mitarbeiter, ohne jedoch die bestehenden Hierarchien abzuschaffen.
Im dritten Vortrag wird sich Lena Schiller-Clausen, Geschäftsführerin des Betahauses in Hamburg, der Frage annehmen, wie Kollaboration in und zwischen verschiedenen Arbeitskulturen funktionieren kann. Schiller-Clausen ist als Expertin derzeit ausgesprochen gefragt. Als Betreiberin eines Coworking-Spaces kennt sie die Bedürfnisse junger, kreativer Nachwuchskräfte.
Aus der Auseinandersetzung mit verschiedenen Konzernen weiß sie aber auch um die Schwierigkeiten von Unternehmen und ihren Führungskräften, sich auf diese Wünsche einzustellen. Schiller-Clausen hat beispielsweise mit ihren Erfahrungen die Entstehung des "Modul57" der TUI in Hannoverbegleitet.
Im Anschluss haben die Zuhörer die Möglichkeit mit den Referenten und Hendrik Hund über die Zukunft der Arbeit zu diskutieren und ganz im Sinne einer neuen Arbeitskultur ihre Erfahrungen zu teilen.