Die Spitzen der TV-Hersteller warten zur IFA im Herbst mit neuen Technik-Trends auf – Panasonic bietet z.B. eine Übertragung der Programme und Videoaufzeichnung über Funk an und das mit voller Funktionalität – ohne Einschränkungen soll die Bedienung auch in der Küche ohne Antennenanschluss möglich sein. Philips bietet zur größten Messe für Unterhaltungselektronik als erster Anbieter einen Fernseher als Smart-TV mit Android-Betriebssystem an. Außerdem lassen sich die Ambilight TVs des Unternehmens auch mit dem LED-Lichtsystem hue vernetzen.
Mit diesen Trends ergeben sich in den eigenen vier Wänden neue Möglichkeiten der Heimvernetzung. Menschen sind gerne Nutznießer neuer Technologien wenn sie die Möglichkeit haben Komfort zu genießen, die Sicherheit im eigenen Leben erhöhen, die eigene Gesundheit fördern oder Energie einsparen können.
Die Vernetzung unseres Alltags schreitet rapide voran. Immer mehr Menschen sind ständig online: Für Kommunikation, Information, Navigation und vieles mehr steht heutzutage eine App bereit. Ob unterwegs oder zuhause – das Wissen der Welt und um den Zustand der Welt ist nur soweit entfernt wie das Smartphone der Tablet-PC oder auch der Smart-TV. Vernetzung stößt aber auch auf Zurückhaltung und Skepsis: nicht ausreichende Standardisierung oder zu wenig Privatsphäre werden regelmäßig thematisiert. Chancen, Risiken sowie aktuelle und zukünftige Entwicklungen waren Thema des Experten-Panels „Was geht App?“, das Philips im Rahmen der IFA Innovations Media Briefing (IMB) in Berlin präsentierte.
Welchen Raum das Smartphone inzwischen im Leben einnimmt, machte Designforscher Dr. Fabian Hemmert in einer anschaulichen Einführung deutlich und zeigte anschließend auf, wohin die Reise weiter gehen könnte: Nach seiner Vorstellung werden die smarten Begleiter zukünftig nicht nur per Bild und Ton mit ihrem Benutzer interagieren, sondern das Smartphone wird Körpersprache bekommen – sich dem Nutzer zu- oder abwenden, und beispielsweise durch interne Gewichtsverlagerung haptische Signale aussenden, die es „menschlicher“ werden lassen.
Solche Entwicklungen seien notwendig, denn „im heutigen Umgang mit Technologie sind wir oft geistig überlastet, körperlich aber unterfordert“, so Hemmert. Der Forscher zeigte aber auch auf, dass der Gewinn an Komfort und Nutzerfreundlichkeit häufig mit einer Preisgabe von persönlichen Informationen einhergeht: „Persönliche Informationen sind die Währung von morgen.“ Wichtig sei daher der aufgeklärte Nutzer, der um die Mechanismen in der digitalen Welt weiß und mündig mit Ihnen umgeht.
Ältere Menschen können von den neuen Technologien profitieren
Auch die von dem gelernten Journalisten Hans-Martin Burr moderierte anschließende Expertendiskussion zeigte, dass in Sachen Vernetzung zwar viel passiert ist, doch noch nicht alle Weichen richtig gestellt sind. „Wir müssen verhindern, dass unsere Gesellschaft eine digitale Spaltung erlebt: in die einen, die sich unbekümmert in der vernetzten Welt bewegen und die anderen, die der Entwicklung skeptisch gegenüber stehen“, so Bernd Laudahn, Philips Geschäftsführer und Leiter der Consumer Lifestyle Sparte.
„Gerade ältere Menschen können von den aktuellen und noch kommenden Vernetzungslösungen besonders profitieren, doch Begeisterung findet Vernetzung eher bei den Jüngeren.“ Lösungen wie Telemedizin, Fitness-Tracker und andere Anwendungen, die für Komfort, Sicherheit und Wohlbefinden im privaten Umfeld sorgen, seien Generationen-übergreifend benutzerfreundlich.
Vernetzung wird immer nutzerfreundlicher
Dass sowohl der Einstieg in die Vernetzung als auch die Nutzung vernetzter Produkte heutzutage sehr benutzerfreundlich ist, unterstrich auch Technologieberater Volker Blume: „Viele Unternehmen der Consumer Electronics haben in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen für eine komfortable Heimvernetzung geschaffen, indem sie im Wesentlichen auf offene Standards und die dafür benötigen Schnittstellen gesetzt haben.“
Auch den sich zeigenden Trend zur Vereinheitlichung von Betriebssystemen ist für ihn ein Beleg, dass Vernetzung immer nutzerfreundlicher wird: „Wenn ich Android auf meinem Smart-TV, meinem Tablet und meinem Smartphone nutze, bewege ich mich immer in einer vertrauten Umgebung und kann alle diese Displays zur Steuerung oder Kontrolle verwenden, ohne dass ich mich in ein neues System hineindenken muss.“ Neben der einfachen Bedienung ist es für Blume aber auch der Mehrwert, der dafür sorgt, dass die Heimvernetzung weiter Erfolgsgeschichte schreiben wird: Das Zusammenspiel von vernetzten Produkten aus verschiedenen Bereichen ermöglicht nicht nur einen Komfortgewinn sondern auch gänzlich neue Anwendungen.
Wir werden noch weitere drastische Änderungen erleben
Vernetzungsexperte Tim Skrok, der mit seinem Unternehmen ControLED professionelle Lösungen für private und gewerbliche Anwender entwickelt und umsetzt, ist ebenfalls optimistisch in Bezug auf das weitere Zusammenwachsen der Systeme. „Alle elektrischen Systeme werden und müssen zusammenwachsen. Licht, Heizung, Jalousien, Sicherheit und Entertainment gehören „smart“ gesteuert und sollten nicht mehr als autarke, parallel nebeneinander existierende Systeme betrachtet werden.
Für den Nutzer muss die Steuerung und Kontrolle möglichst einfach sein“, so Skrok. Um das auch bei komplexen Lösungen zu erreichen, spielen seiner Meinung nach Unternehmen für System-Integration eine immer wichtigere Rolle. Er sieht – trotz radikaler Veränderungen in den letzten Jahren – die Vernetzung noch in einem frühen Stadium. „Entwicklungen wie iBeacons für die Navigation in geschlossenen Räumen oder HomeKit als übergreifende Steuerungsplattform zeigen den Trend und werden dafür sorgen, dass wir weitere drastische Änderungen erleben werden.“
Vernetzte Lösungen sind gut um Lichtszenarien für den passenden Anlass zu schaffen
Lichtplanerin Ulrike Brandi sieht zwar ständig neue Möglichkeiten, die sich durch Vernetzung ergeben, warnt aber davor, Konzepte nur deshalb umzusetzen, weil sie nun technisch möglich sind: „Letztendlich ist es die Qualität, die im Vordergrund stehen muss.“ Dabei fasst sie den Qualitätsbegriff weit: „Als Lichtplanerin achte ich natürlich auf die Qualität des eingesetzten Lichts, aber Qualität zeigt sich auch im Design und der Benutzerführung.“
In der Lichtgestaltung und -Steuerung könne auf vielfältige Lösungen zurückgegriffen werden, doch „manchmal ist der altbewährte Lichtschalter die beste Wahl“, so die Expertin. Das will sie aber keinesfalls als Statement gegen die Vernetzung verstanden wissen – im Gegenteil: „Vernetze Lösungen sind großartig, um Lichtszenarien zu schaffen, die sich exakt auf den Anlass, die Stimmung und das Publikum anpassen lassen. Und das geht einfach und unkompliziert.“
Große Einigkeit herrschte bei den Experten darüber, dass trotz zunehmend wachsender Erfahrung mit vernetzten Produkten und Lösungen keine konkrete Vorausschau darüber getroffen werden kann, was langfristig ein Erfolgsprodukt sein wird und welches Konzept wieder vom Markt verschwinden wird. „Wir tasten uns von Innovation zu Innovation und lernen aus den Reaktionen unserer Kunden“, so Bernd Laudahn.
Regelmäßig werden auch Experten von bestimmten Kunden- und Nutzerverhalten überrascht, da menschliches Verhalten eben nicht immer planbar sei. Und das sei auch gut so, befindet Design-Experte Hemmert: „Bei allen technischen Entwicklungen dürfen wir nicht versuchen, selbst zum Computer zu werden - wir müssen uns, auch im Zeitalter von allgegenwärtiger Technologie, unsere Menschlichkeit bewahren.“
Teilnehmer der "Was geht App"-Expertenrunde
Volker Blume
Consultant Technologie und Standards, Global Media@TV
Ulrike Brandi
Lichtplanerin, Geschäftsführerin ULRIKE BRANDI LICHT GmbH
Brandi Institute for Light and Design
Bernd Laudahn
Geschäftsführer der Philips GmbH, Leiter der Sparte Consumer Lifestyle
Tim Skrok
Inhaber ControLED, Kompetenzzentrum für Home Automation und Home Entertainment
Dr. Fabian Hemmert
Designforscher, Design Research Lab, University of Arts , Berlin
Vertretungsprofessor für Interface-Design an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel