Die ersten „#Gespräche zur Lichtkultur“ zogen trotz Bahnstreik rund 50 Architekten, Lichtplaner und andere Lichtinteressierte in das gewaltige Denkmal der Industriekultur. Die Besucher ließen sich durch den Besuch der Installation 320° Licht der Künstlergruppe Urbanscreen im Gasometer einstimmen – diese Verbindung von Ort und Thema wird auch in den zukünftigen Veranstaltungen der „#Gespräche zur Lichtkultur“ gegeben sein.
Drei spannende Impulsvorträge leiteten den Abend ein: Daniel Hausig, bildender Künstler und Professor für „Intermedia“ an der HBKSaar, der Licht- und Multimediakünstler Philipp Geist und Hendrik Wendler, Organisator des Genius Loci Weimar Festivals gaben einen intensiven Einblick in ihre Arbeit. Besonders das Spannungsfeld zwischen technisch Möglichem und künstlerisch Sinnvollem wurde bei allen drei Vortragenden thematisiert. Auch in der anschließenden Diskussion wurden diese Fragen im Dialog mit den Besuchern weiter erörtert – bis hin zu ganz praktischen Dingen wie Genehmigungen für die Kunstinstallationen.
Zufrieden mit der Erstveranstaltung zeigten sich auch die Initiatoren Dennis Köhler vom Lichtforum NRW, Manfred Hobbelink von der LTGR und Markus Helle von der Highlight: „Wir freuen uns über den angeregten, fachlich intensiven Dialog – der Titel ‚#Gespräche zur Lichtkultur‘ ist zurecht gewählt. Es zeigt sich, dass ein Bedarf für diese Art Austausch besteht, und den wollen wir mit den kommenden Veranstaltungen decken.“ Die Inszenierung von einzelnen architektonischen Elementen und ganzen Stadtpassagen hat mit der Technik des Video-Mapping neue Dimensionen in der lichtgestalterischen Interpretation der gebauten Umgebung erhalten.
Gebäudefassaden und städtische Bereiche können durch präzise Lichtprojektionen mit oder entgegen ihrer baulichen Struktur visuell verändert, unterstrichen, interpretiert oder gar aufgelöst werden. So liefert die lichtgestalterische Methode des Video-Mapping gleichzeitig Chancen und Risiken der bau- und stadträumlichen Darstellung. Werden Gebäuden und öffentlichen Räume Ansichten entlockt, die auf historische oder sozialräumliche Identitäten verweisen oder verkommen hier Fassaden, Flächen und Böden zur Leinwand eines beliebigen Scheinbildes?
Nach dem Instrumentarium für eine Lichtinstallation im städtischen Raum gefragt, machte Daniel Hausig deutlich, dass Licht via Videomapping allein nicht überzeugt. Es ist ein Werkzeug, dass nachts das fortsetzen kann, was am Tage im öffentlichen Raum mit skulpturalen installativen Elementen thematisiert wird. Dazu muss aber eine genauso intensive künstlerische Auseinandersetzung stattfinden. Daniel Hausig fasziniert das temporäre Medium, er warnt aber gleichzeitig auch davor, den öffentlichen Raum permanent, jeden Tag, mit gigantischen Projektionen zu „überspielen“.
Eine ganz grundsätzliche Frage, die am Abend von einem Lichtplaner gestellt wurde, war, warum Video-Mapping meist bunt ist? Wenn sich Lichtplaner mit Gebäuden und Architektur beschäftigen, dann analysiert man diese sehr grundsätzlich. Und während dann in der architektonischen Lichtplanung eher zurückhaltend mit weißem Licht gearbeitet wird, kommt im Video-Mapping die Farbe eher üppig zum Einsatz.
Aus der Perspektive der Veranstaltung eines Wettbewerbs sagte Hendrik Wedler dazu, dass man in den Entwicklungen der letzten Jahren bemerkt, dass man von der Effekthascherei auf die Inhalte zugeht und dass das Video-Mapping bewusster mit der architektonischen Struktur des Gebäudes arbeitet. Wenn etwas gegen die vorhandene Struktur geht, funktioniert das nur kurzzeitig. Er sieht die Kunst der Animation auch darin, immer wieder das Gebäude zu illustrieren, die Struktur herauszuholen, um dann da innerhalb einer Animation herauszugehen, und aus einer freien Form dann wieder in das Gebäude hineinzugehen.
Für Philipp Geist ist das Thema Farbe an den Ort gebunden und welche Projekte man hier entwickelt. Er führt den Dialog mit bestimmten architektonischen Orten und will so ein Gespür entwickeln. Das Wechselspiel zwischen dem Projizieren über die Architektur und einer Reduktion ist ihm wichtig, also mit schwarz-weißen Linien die Fassade nachzuzeichnen und dann wieder mit extremer Farbe über die selbe Fassade zu gehen – dabei kann man sogar absichtliche Fehler einbauen, die letztendlich eine Haptik schaffen.
Im Umgang mit Farbe und Projektion sieht Daniel Hausig noch grundsätzliche Handicaps. Das Problem, dass die am Monitor gemischten Farben manchmal nichts mit der Realität zu tun haben, ist ein technologische, dass zu großen Diskrepanzen zwischen Planung und Realität führt. Ein weiteres Handicap für ihn ist, dass die reinen Farben sich grafisch einfach mehr abheben und das dazu verleitet, diese reinen Töne auszuwählen. Für Farbpuristen ist das noch lange nicht erfüllend, und gerade die Technik muss sich in Bezug auf Farbbrillanz und Farbtreue noch stark entwickeln.
Ein wichtiger Themenkomplex für die urbanen Projekte ist die Realisierung im Stadtraum. Daniel Hausig berichtete von einem Projekt in Saarbrücken, zu dem viele Entscheidungsträger von Polizei, Ordnungsamt und Genehmigungsämter zusammenkamen, um erst die Ideen und dann die Ausführung mit abzunehmen.
Verschiedenste Ämter mussten dazu ihre Genehmigungen in Bezug auf Blendung von Kfz- oder Schiffsverkehr geben, dazu kam die Frage der Genehmigung durch Eigentümer, die für dieses Projekt in ganz Europa verstreut waren. Durch den Dialog ist es am Ende sogar gelungen, für die Installation Straßenbeleuchtung und Werbung zu eliminieren.
Philipp Geist konnte dazu seine Erfahrungen aus Berlin beisteuern. Um das Putzlicht für eine Installation dort auszumachen, musste die Anfrage beim Gebäudebetreiber mit einem Jahr Vorlauf gestartet werden. Das Umgehen mit den örtlichen Gegebenheiten macht für ihn auch den Reiz aus, führt aber immer wieder zu Schwierigkeiten.
Auch im Genius Loci-Festival in Weimar hat Hendrik Wendler ähnliche Probleme. Wenn auch manches ungewollte Licht noch zu spannenden Effekten führen kann, muss man sich bei den Projektionen immer bewusst sein, dass die Gebäude auch während der Projektionszeiten genutzt werden. Und man damit rechnen muss, dass auch mal ein Hausmeister durch ein Gebäude und damit mitten durch die Licht-Installation seinen nächtlichen Rundgang macht.
Viele weitere Aspekte wurden in der Diskussion angesprochen und vertieft, was den Bedarf zu einem Diskurs um Thema Licht im Allgemeinen und diesem Thema der Projektion im Besonderen verdeutlicht. Ein Architekt aus dem Publikum formulierte dies so: „Sie können mit ihren Lichtgestaltungen für Aufmerksamkeit und umgekehrt aber auch für Ruhe des öffentlichen Stadtraums sorgen, weil Sie mit dem künstlerischem Wert, den Ihre Arbeiten bringen, eben eine hohe Intensität von Wahrnehmung erzeugen, die deutlich im Widerspruch steht zu einer Banalität des Alltags – und das muss weiter diskutiert werden.“
Die Planungen für die nächsten „#Gespräche zur Lichtkultur“ laufen bereits, Termine und Orte werden rechtzeitig angekündigt – zum Beispiel über den Newsletter der HIGHLIGHT.