Während die Architekturbeleuchtung im Neubau stets integriert ist, werden in der „Villa Wahnfried“ gestaltete Leuchten als additive Elemente zum Bestandteil des historischen Ambientes. Vitrinen stellen sich als zeitgenössische Gefäße dar und bringen ihr eigenes Licht mit. Doch immer nimmt sich das Licht angenehm zurück und setzt die Exponate wirkungsvoll in Szene.
Des Meisters Sinnspruch "Hier wo mein Wähnen Frieden fand, Wahnfried sei dies Haus von mir genannt" auf der Fassade der Villa begrüßt den Besucher, der sich auf dem Wege der Allee dem Gebäude nähert. 1872 von Richard Wagner selbst im neopalladianischen Baustil entworfen, war das Haus Wahnfried zusammen mit dem nach seinem einzigen Sohn benannten Haus Siegfried Lebensmittelpunkt für mehrere Generationen der Familie Wagner. Im Jahr 1976 wurde das nach Kriegsschäden rekonstruierte Gebäudeensemble in eine Museumsnutzung überführt.
Da die Sammlung längst dem Fassungsvermögen des Baus entwachsen war, wurde im Jahre 2010 ein Architekturwettbewerb für einen Erweiterungsbau ausgelobt. Das Team von Volker Staab Architekten überzeugte die Jury mit einem westlich der Villa Wahnfried an den Gärtnerbau anschließenden flachen, rundum verglasten Baukörper.
Drei inhaltliche Schwerpunkte – drei verschiedene Museumsteile
Ein Wesenskern des Entwurfs ist die Verlegung großer Flächen in den Untergrund. Hier befinden sich nicht nur das tieferliegende Geschoss des Erweiterungsbaus, sondern auch Medienräume, Depotflächen und Verbindungsgänge, die bis unter den Vorplatz reichen. Die Ausstellungsgestaltung des Büros HG Merz aus Stuttgart macht das Schaffensspektrum Richard Wagners und seiner Familie in allen Facetten erfahrbar. In der Villa taucht der Besucher tief in die Lebenswelt des deutschen Komponisten, Dramatikers, Dichters, Schriftstellers, Theaterregisseurs und Dirigenten ein. Möbel, persönliche Gegenstände, Garderobe, Schriftverkehr und ähnliches gestatten eine emotionale Annäherung an die Familie.
Im Haus Siegfried wird die ideologische Verstrickung der Familie Wagner in das Dritte Reich thematisiert; die Geschichte der Festspiele wird im Neubau erfahrbar. Bühnenbildmodelle und Kostüme im Untergeschoss des Neubaus lassen die Bühnenwelten im Wandel der Zeit Revue passieren. Das auf Kommunikation im Raum spezialisierte Büro jangled nerves unterstreicht die Ausstellungsgestaltung mit audiovisuellen Installationen, die Wagners Musik und historische Bildaufnahmen einfallsreich in den musealen Rundgang einweben.
Integriertes Architekturlicht – variables Ausstellungslicht
Die nicht musealen Bereiche des Neubaus werden mit bündig deckenintegrierten Leuchten erhellt. Um die Kontinuität zu den temporären und permanenten Ausstellungen zu wahren, kommen auch hier ausschließlich LED-Leuchtmittel zum Einsatz. Während die zurückhaltende Beleuchtung des Foyers mit deckenbündig eingebauten Leuchten erfolgt, akzentuieren Richtstrahler die Waren im Shopbereich. Die Wandflächen an den Treppenabgängen zum Tiefgeschoss werden mit Wandflutern eingeblendet, zugleich beleuchten Downlights die Erschließungsflächen.
Die Ausstellungsräume im Erdgeschoss verfügen über Deckeneinbauslots, in denen sich Stromschienen zur Aufnahme von LED-Strahlern befinden. Diese können flexibel auf die Anforderungen des als Sonderausstellungsfläche genutzten Bereiches ausgerichtet werden.
Vom Kassenbereich gelangen die Besucher über eine langgestreckte Treppe in das Untergeschoss. Im Prolograum begrüßt das wirkungsvoll mit Miniatur-LED-Richtstrahlern inszenierte Modell des Festspielhauses die Gäste. Portraits der Festspiel-Dirigenten leiten die Dauerausstellung zur Historie der Festspiele ein. Die Farbgebung des Raumes ist dunkel gehalten und von kontrastreicher Dramaturgie. Die Analogie zur Bühnenwelt ist unübersehbar.
Raumhohe Großvitrinen zeigen die zum Teil spektakulären Kostüme. In die Decken der Vitrinen sind regelmäßig angeordnete, zylindrische Einbauten integriert. Jede enthält einen drehbaren Bügel zur flexiblen Aufnahme von LED-Miniaturstrahlern, die über ein Kugelgelenk frei ausrichtbar sind. Verschiedene Lichttechnische Aufsätze erlauben gebündelte, weiche oder bandförmige Lichtverteilungen. Wabenraster und Schuten sorgen bedarfsgerecht für die Entblendung.
Vom Ausstellungsbereich zweigen sogenannte Hörstationen ab, die durch ihre Anbindung an Lichthöfe einen Himmelsblick offerieren. Die zum Teil begrünten Wände des Lichtschachtes werden durch lineares Bodeneinbau-Streiflicht eingeblendet. Die Innenraumbeleuchtung erfolgt aus verdeckt montierten LED-Lichtleisten unter den Bänken und im Sockelbereich der Wandverkleidung. Keine Lichtspiegelung soll den Ausblick stören.
Farbenfroher Auftritt – additive Lichtelemente
In der großen Halle des Hauses Wahnfried wird die Vorliebe des Hausherrn für üppige Farben erlebbar. Auf den roten Wänden sind historisierende Wandaufbauleuchten angeordnet. Diese sind nicht originär aus der Bauzeit der Villa, entstammen aber dem Gebäudebestand und wurden so einer Erhaltung für würdig befunden. Sie wurden nach heutigen energetischen und technischen Standards wieder aufgearbeitet und mit zeitgemäßen Leuchtmitteln neu bestückt. Nach oben hin verjüngt sich die Halle zu einer Galerie, hier blau gefasst, und wird von einem Oberlicht überspannt. Dieses lässt über eine Verglasung im darüber befindlichen Dachraum großzügige Tageslichtmengen in den Raum. Am Abend wird das satinierte Oberlicht durch darüber befindlichen Lichtleisten zur freundlich-lichtaktiven Fläche.
In Achse des Mittelrisalits öffnet sich der große Saal. Hier steht der Flügel von Richard Wagner. Eine umfassende Bibliothek begleitet die Raumwände. Der üppige Kronleuchter aus der Leuchtenfamilie der in der Halle eingesetzten Wandleuchten zentriert den Raum und verströmt weiches Licht aus Milchüberfangglas-Schirmen. Auch dieser Kronleuchter ist eine spätere Addition und wurde ebenfalls aus dem Bestand übernommen und aufgearbeitet.Da die originalen Möbel der Familie Wagner zum Teil verschwunden oder zerstört sind, hat man die historischen Exponate durch Möbel-Nachbildungen in weißen Hussen ergänzt.
Ruhiges Deckenbild in den Kabinetten
Im obersten Geschoss befinden sich die ehemaligen Schlafräume von Richard und Cosima. Aus dem Gebäudezuschnitt ergeben sich kabinettartige Räume, die sich für die Ausstellung von kleineren und größeren persönlichen Gegenständen eignen: nicht zuletzt wird hier das Sofa gezeigt, auf dem Richrad Wagner in Venedig verstarb. Jeder Raum ist mit einem mittigen Deckensegel versehen, das alle technischen Einbauten in aufnimmt. An den vertikalen Flanken der Deckensegel befinden sich Wandfluter, die die Raumhüllen weich einblenden. Ebenso sind Richtstrahler in der Abhangdecke integriert, die freistehende Vitrinen inszenatorisch ausleuchten.
Über Wendeltreppen führt der Weg in das darunter gelegene Zwischengeschoss, einst der Ort der Kinderzimmer. Hier wird u. a. die Garderobe von Richard und Cosima ausgestellt. Raumhohe, vollständig verglaste Vitrinen zeigen die persönlichen Kleidungsstücke des berühmten Paares. Wie schon im Untergeschoss des Neubaus sind auch hier in den Decken der Vitrinen zylindrische Ausnehmungen mit Drehbügeln zur Aufnahme von justierbaren LED-Miniaturstrahlern eingelassen. Weiße Wandaufbauleuchten sorgen für zurückhaltendes Erschließungslicht. Die direkt-indirekte Lichtverteilung der Leuchten vermindert störende Spiegelungen in den benachbarten Vitrinen.
Bühnenreife Inszenierung
Das Tiefgeschoss der Villa Wahnfried ist Wagners Musikwelt gewidmet. Alle Wandflächen sind hier dunkel gehalten. Prunkstück des Raumes ist die zentral angeordnete Partitur in einer großen Glasvitrine. Auch sie wird durch Miniaturrichtstrahler in der Vitrinen-Decke inszeniert. Scheinbar von Geisterhand schwebt Richard Wagners Büste darüber. Sie ist an der Wand der dahinterliegenden Rotunde montiert und wird von der Decke aus mit gerichtetem Licht inszeniert. Die Rotunde umspielt ein gazeartiger Vorhang, der die „goldene Wand“ dahinter erahnen lässt. Diese wird durch einen verdeckt montierten Streiflichtkanal eingeblendet und verwandelt den Gazevorhang in lichtaufgeladene, immaterielle Transparenz – ein perfekter Hintergrund für die Büste des Meisters.
Weitere Infos:
Bauherr:
Stadt Bayreuth, Hochbauamt
Architekt:
Staab Architekten GmbH, Berlin
Lichtplaner:
Licht Kunst Licht AG, Bonn/Berlin,
Projektleitung:
Stephanie Grosse-Brockhoff, Maik Czarniak
Projektteam:
Luc Bernard, Lisa Görke, Shine Jiang
Ausstellungsplaner:
hg merz architekten museumsgestalter stuttgart berlin
Medienplaner:
jangled nerves, Stuttgart
Eingesetzte Leuchten – Auswahl
Deckeneinbauleuchten:
Erco
Stromschienenstrahler:
Havells Sylvania
Vitrinenbeleuchtung:
Ado Lights, Insta, Corporate Friend
Aufarbeitung Bestandskronleuchter:
Leuchten Manufactur seit 1862 i. SA. GmbH
Lineare Wandfluter:
Objektleuchten Berlin
Lineare Diffuslichtkanäle:
Selux
ca. 3 000 Quadratmeter
Licht Kunst Licht - www.lichtkunstlicht.com