Er mahnte, näher hinzusehen, wo die wirklichen Bedürfnisse der Kunden liegen und warnte davor, die Digitalisierung als Unternehmen nicht mitzumachen: "Wenn wir sie nicht machen, dann macht sie ein anderer". Er und sein Team haben drei große Trends ausgemacht: Nachhaltigkeit, Konnektivität und Individualisierung. Mit seinem Unternehmen Dornbracht [2] war er bisher eher konträr zu den heutigen Megatrends unterwegs:
"Wir verbrauchen viel Wasser und unsere Armaturen waren bisher eher Insellösungen" erklärt er. Und genau davon müsse man heute weg. Er sucht darum nach Wegen, um den gewohnten Komfort seiner Luxusprodukte zu erhalten, durch digitale Möglichkeiten sogar noch zu erhöhen – dabei aber Effizienz und Ressourcenschonung mehr Raum zu geben. "Vielleicht müssen wir für unsere Regenduschen Wasserkreisläufe entwickeln, die per Schmutzsensor das Wasser mehrfach nutzen" warf er als Gedankenspiel ein und schloss mit den treffenden Worten: "Vorne ist, wo sich niemand auskennt!"
Nicht nur begeisterte Worte fand auch Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus – ehemals Leiter des Fraunhofer inHaus und heute als Hochschuldozent an der EBZ Business School [3] tätig. Er führte noch einmal aus, dass das hochautomatisierte Smarthome eine High End Lösung sei – aber dadurch leider kein Massenmarkt. Ihn interessiert bei seinen Forschungsprojekten darum vor allem, wie man digitale Technologien für die breite Masse nutzen kann. Wohnen im Alter ist dabei ein Paradebeispiel: Hier liefern Assistenzsysteme einen wertvollen Beitrag, damit ältere Menschen möglichst lange in ihren vier Wänden bleiben können.
Pilotprojekte wie das von der EU geförderte I-stay@home [4] gibt es derzeit schon. Auch in Mietobjekten laufen derzeit Untersuchungen, die zeigen sollen, wie hoch die Rolle des Nutzerverhaltens bei der Energieeinsparung ist. Er zeigte bereits, dass in hocheffizienten Häusern der Sollwert des Verbrauchs meistens durch den tatsächlichen Verbrauch überschritten wird. Den Grund sieht Grinewitschus vor allem in einem fehlenden Monitoring. "Wenn den Nutzern nicht gezeigt wird, an welcher Stelle Energie verloren geht, dann werden sie daran auch nichts ändern" stellt er fest. Vor allem hier sieht der Professor noch großen Handlungsbedarf.
Ob Digitalisierung für alle Gewerke wirklich das Allheilmittel sein kann, stellte Axel Schmidt von Salto Systems [6] in Frage. Gerade bei der Zutrittskontrolle verfahren viele Bauherren nach dem Motto "My home ist my Castle" und dazu gehört eben auch der greifbare Schlüssel, den man in der Hosentasche hat. Während im gewerblichen Bereich elektronische Systeme schon seit vielen Jahren an der Tagesordnung sind, ist das private Eigenheim immer noch ein Sonderfall. "Mit der Einführung von Near-Field-Communication und Bluetooth Low Energy wird die Bedeutung der Zutrittskontrolle aber auch im privaten Bereich zunehmen. Das Smartphone wird zum Teil des Zutrittkontrollsystems", prognostiziert der Experte.
Jens Gebers von Schell [7] warf dagegen einen ganz anderen Blick auf das Thema Digitalisierung. Da sein Unternehmen Armaturen für den öffentlichen Bereich herstellt, gibt es hier viele Funktionen, die sich digital deutlich einfacher realisieren lassen. Legionellen sind beispielsweise das Top-Thema in der Sanitärbranche. Sie entwickeln sich prächtig in stehendem, lauwarmem Wasser und können nur durch regelmäßige Spülvorgänge mit heißem Wasser über 60 Grad sicher entfernt bzw. verhindert werden. Diese thermische Desinfektion wird heute von vielen Bauherren gefordert.
"Durch digitalisierte Armaturen können wir hier komplette Szenarien hinterlegen und definieren, wann, wie heiß und wie lange gespült werden soll" erklärt Gebers. Zukunftsszenario ist für ihn die direkte Anbindung an Heizgeräte oder die Lüftung, um hier noch mehr Synergieeffekte zu erzielen. "Das lässt sich derzeit nur durch die Anbindung an die GLT realisieren – wir hoffen, dass es bald Möglichkeiten gibt, dass die beteiligten Geräte verschiedener Hersteller über ein gemeinsames Protokoll direkt kommunizieren können".
Ein System speziell für das Wohnhaus präsentierte Olaf Quittmann von Busch-Jaeger Elektro [8]. Das Unternehmen hat das System free@home speziell für die Anwendungen in diesem Bereich entwickelt. Der Nutzer kann hier sehr viel selbst ändern und umprogrammieren – bleibt also im laufenden Betrieb weitgehend unabhängig, was sonst gerne als Vorbehalt gegen smarte Techniken genannt wird. Auch die Angst, dass man gläsern wird und Unbekannte sich einhacken könnten, ist bei diesem System unbegründet. "Wir nutzen bewusst keine Cloud, sondern belassen alle Funktionen im lokalen Netz - nur wenn ein Fernzugriff gewünscht wird, dann wird die Verbindung zum Smartphone oder Tablet über das Internet hergestellt" konnte Quittmann Sorgen vieler potenzieller Nutzer zerstreuen.
Andreas Pater von der Handwerkskammer Südwestfalen [9] in Arnsberg präsentierte die Sicht der Handwerker und schilderte, warum viele noch nicht den Weg zu smarten Technologien gefunden haben: Die Auftragslage in vielen Betrieben sei sehr hoch und der Fachkräftemangel führe zu einer hohen Belastung der einzelnen Mitarbeiter. So bleibe oft das Thema Fortbildung oft auf der Strecke. Man nutze in so einer Situation lieber Lösungen, mit denen man Erfahrung habe. Hinzu kommt, dass Smart Homes völlig andere Planungsprozesse erfordern, als es alle Beteiligten bisher gewohnt sind. Alles muss sehr früh und parallel geplant werden – man kann nicht mehr jedes Gewerk für sich nacheinander abarbeiten. Die dafür notwendigen Kompetenzen kann man aber lernen – etwa in dem dualen Studium "Gebäudesystemtechnologie". Außerdem unterstützen die Kammern die Betriebe, indem Sie sich Themen wie Personalentwicklung widmen und so dafür sorgen, dass den meistens recht kleinen Betriebe nicht die Mitarbeiter ausgehen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich alle einig: Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten und wer nicht mitmacht, wird vermutlich von anderen Anbietern, die oft aus ganz anderen Branchen kommen, verdrängt werden. Wichtig ist aber, den Massenmarkt zu suchen und tatsächliche Probleme zu lösen. Nicht alles technisch Mögliche ist sinnvoll. Die Planung muss gemeinsam mit dem späteren Nutzer ganz sorgfältig erfolgen und seine Lebenssituation genau erfasst werden, damit er später in seinem automatisierten Heim auch glücklich wird. Individualisierung ist auch hier der Schlüssel zum Erfolg – man darf nicht alles starr vorgeben, sondern der Kunde muss das Zepter in der Hand behalten. "Das wünschen nach unseren Erfahrungen gerade die Frauen, die heute im Eigenheim meistens die Entscheider sind", ergänzte Adalbert Neumann von Busch-Jaeger Elektro.
SIHK Präsident Harald Rutenbeck sieht trotz aller Komplexität die Unternehmen in Südwestfalen bestens gerüstet für die anstehenden Aufgaben der Digitalisierung: "Wir haben hier so viel Erfahrung und Fachkompetenz in der Region, da mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen".
[2] Dornbracht - www.dornbracht.com
[3] EBZ Business School - www.ebz-business-school.de
[4] I-stay@home - www.i-stay-home.eu
[5] Dial - www.dial.de
[6] Salto Systems - www.saltosystems.com
[7] Schell - www.schell.eu
[8] Busch-Jäger Elektro - www.busch-jaeger.de
[9] Handwerkskammer Südwestfalen - www.hwk-suedwestfalen.de