Neues gibt es dennoch zu vermelden, denn seit Juni 2023 kommt auf der Seebühne ein vollautomatisches Tracking von Audiosignalen durch die Einbindung einesTrack-iT-Systems von Follow-me zum Einsatz. Die Anwendung unterstreicht einmal mehr die Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit dieser Tracking-Lösungen, die sich nicht auf Licht beschränken, sondern auch Audio- und Videosignale automatisiert steuern können.
Christian „Rocketchris“ Glatthor, seit 2018 als Spezialist für Trackingsysteme sehr gefragt, wurde von den Bregenzer Festspielen als unabhängiger Berater ins Team geholt, um die komplexe Produktion und die hohen Ansprüche der Spielstätte in Bezug auf Tracking auf der sehr großen Bühne und ihren verschiedenen Ebenen zu planen und umzusetzen. Er führte vor Ort verschiedene Vorführungen und Tests durch und beriet zu den demonstrierten Systemen.
Bereits 2021 hatte er gemeinsam mit LMP Lichttechnik, dem Vertrieb von Follow-me für Deutschland und Österreich, eine erste Demo des Remote-Systems 3D Six durchgeführt, bei der sich zeigte, dass mit der manuellen Tracking-Lösung die örtlichen Gegebenheiten gut zu bedienen sein würden. Mit Unterstützung des technischen Teams von Follow-me folgte 2022 eine Vorführung des damals gerade eingeführten Track-iT System.
Als Erweiterung des bewährten 3D-Six-Systems erlaubt Track-iT Anwendern das nahtlose Umschalten zwischen manuellem und automatischem Tracking. Da Track-IT auch OSC sendet und empfängt, kann es außerdem jedem Beschallungssystem präzise Positionsdaten liefern. Nach umfangreichen Tests verschiedener Systeme fiel die Wahl schließlich auf das Autotracking mit einem Track-iT System. Die aufgrund der lokalen Gegebenheiten sehr aufwändige Installation erfolgte im Juni 2023.
Audio-Tracking
Wer Follow-me bisher nur als Remote-Follow-Spot- bzw. Autotracking-Lösung für Licht auf dem Zettel hatte, dürfte vom Bregenzer Anwendungsfall überrascht sein. Chris Glatthor erläutert: "Richtig, das Follow-me-System hat ein direkt integriertes Interface zur Steuerung von Scheinwerfern. Man kann aber zusätzlich entweder ein PSN- oder in den neueren Systemen nun auch ein OSC-Signal von den jeweiligen Targets ausgeben lassen und damit neben Sound zum Beispiel auch Videosignale steuern. Um die Beschallungssysteme mit Follow-me ansteuern zu können, setzen wir auf der Seebühne auf das vom Fraunhofer Institut entwickelte Interface.“
Die Beschallungssituation auf der Seebühne ist komplex. Die sehr große Tribüne bietet 6.659 Sitzplätze und ist in viele akustische Signalzonen aufgeteilt. Das eigens entwickelte Fraunhofer-System ist jedoch in der Lage, Position und Signal so zu faden, dass Zuschauer auch in 50 Metern Entfernung noch ein Gefühl vermittelt bekommen, wo sich die Künstler aktuell auf der Bühne befinden.
Dabei ist das Audio-Tracking mit Follow-me nur der Anfang, wie Chris ergänzt: "Die Madame-Butterfly-Produktion nutzt keine Followspots, insofern bestand kein akuter Bedarf an Licht-Tracking. Im nächsten Jahr wird für die Inszenierung von 'Der Freischütz' allerdings auch das Tracking der Followspots automatisiert erfolgen."
Anspruchsvolle Outdoor-Installation
Die Installation des Tracking-Systems gestaltete sich relativ komplex. Zum einen handelt es sich um eine vollkommen ungeschützte Outdoor-Umgebung in unmittelbarer Wassernähe, wobei die aufnehmenden Masten selbst direkt im Wasser stehen. Zum anderen bestand die planerische Herausforderung darin, ein sehr großes Feld zuverlässig abzudecken, was viele Herausforderungen hinsichtlich Absorption und Reflexion mit sich brachte.
Die Bühne misst 30 x 30 x 28 Meter (B x T x H). Das Tracking-Feld ist um einiges breiter. Um den Wetterschutz für die Module zu gewährleisten, konstruierte Chris Glatthor eigens ein spezielles Gehäuse. Die gesamte Installation inklusive Verkabelung ist wettergeschützt ausgeführt. Die Tags sind von den Bregenzer Fachabteilungen so verpackt und geschützt worden, dass ihnen auch ein Sprung des Darstellers ins Wasser nichts anhaben kann. Diese besondere Anforderung an ein Backup konnte Follow-me als einziger Hersteller meistern, indem in jeden Situationen auf die stets verfügbare Option der manuellen Bedienung zurückgegriffen werden kann.
25 Antennen zur Feldabdeckung
Insgesamt 25 Antennen ("Track-iT Anchors") sind installiert worden: sechs in der Bergkulisse, 16 Stück an den im Wasser stehenden Licht- und Tonmasten und weitere fünf Stück an der Tribünenvorderkante direkt am Seeufer. Hardwareseitig stehen zwei Track-iT Server (Main / Backup), zwei vollständige 3D-Six-Systeme (Main / Backup) und zahlreiche Darsteller-Tags inklusive Backup zur Verfügung.
Herausforderungen
Die Installation in Bregenz ist ein Projekt, das mit einigen Herausforderungen aufwartete: "Neben dem Wetter als permanentem Unsicherheitsfaktor sind zum Beispiel die Lichtmasten seit letztem Jahr nur noch sehr filigrane Stangen, die sich im Wind bewegen. Hier war die Frage, ob das System unter diesen Abweichungen stabil laufen würde. Hinzu kam das große Feld mit deutlichen größeren Abständen zwischen den Antennen, als bei einer 'normalen Bühne'. Das cleane Setdesign bot keinerlei Möglichkeit sie an anderer Stelle zu installieren."
Zusätzlich spielten die Reflexionen des Wassers und der umgebenden Bauten sowie Absorptionen der Kulisse eine Rolle. Wie schnell würde das System in der Lage sein, ein präzises Signal zu generieren, wenn ein Künstler auftritt? "Erfreulicherweise war in allen Fällen schnell klar, dass das System sehr gut mit den Umständen zurecht kommt", sagt Chris.
Manuelles und automatisiertes Tracking in einem System
Chris bestätigt seine Wahl und hebt als großen Vorteil des Einsatzes der in Bregenz entwickelten Konfiguration hervor: "Das Autotracking funktioniert natürlich unter Wasser nicht. Schwimmt ein Darsteller durchs Wasser, wird er in dem Moment händisch verfolgt. Das heißt, wir haben die Möglichkeit in Auftrittssituationen zunächst manuell hinein oder hinaus zu führen und auf Autotracking umzuschalten, sobald wir ein stabiles Signal haben."
Mehrwert
Das Technik-Team der Seebühne ist rundum zufrieden mit der implementierten Lösung. Chris Glatthor behielt das System während der Spielsaison noch per Fernwartung im Auge, und konnte direkten Support geben, wenn es kritische Probleme gegeben hätte. Erfreulicherweise war dies nicht der Fall.
Für die Bregenzer Festspiele bringt die Installation zahlreiche Vorteile mit sich. So lassen sich dank Autotracking Personalressourcen besser nutzen. Im Lichtbereich wird man zukünftig zudem sehr viel mehr Möglichkeiten für Followspot-Anwendungen haben, denn bisher konnten nur frontale Followspots von der Lichtregie aus genutzt werden. Zukünftig könnte zusätzlich zu Ton und Licht auch das Video getrackt werden. "Alles in allem hat die Seebühne sehr viel Offenheit für die Zukunft und eine enorme Flexibilität hinsichtlich jeglicher Steuerungstechnik gewonnen", fügt Glatthor hinzu.
Auf die Frage, was ihm von diesem Projekt in Erinnerung bleibt, antwortet Chris: "Sehr viele gelaufene Schritte und überwundene Höhenmeter. Die Bühne ist gigantisch. Vom Licht-FOH bis zur Bühne ist man schon mal zehn Minuten unterwegs. Ich bin nachhaltig beeindruckt von der Komplexität der Inszenierungen auf der Seebühne, die technisch absolut auf dem neuesten Stand ist. Nicht zuletzt bleiben mir sehr viele nette und absolut kompetente Menschen an Erinnerung, die ich immer wieder gerne besuche."