Kann man sich Lichtplanung selbst beibringen? Wenn man auf die nötigen Investitionen fürs Material schaut, ist das denkbar. Das meiste Material steht online und gratis zur Verfügung: die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), die Basisversion der Planungssoftware Dialux, die vielen Publikationen der Brancheninitiative licht.de und sogar ein älteres, aber noch immer gutes Handbuch über Lichtplanung vom Hersteller Erco. Nur für die Norm DIN 12464 muss man wie üblich wenige hundert Euro in die Hand nehmen. Und für jede Leuchte gibt es ein Datenblatt mit den technischen Einzelheiten.
Nach einer Stunde im Seminar beim Lichtplaner und -dozenten Michael Immecke bekommt man eine Ahnung, warum das Selbststudium keine gute Idee ist. Der europaweit tätige Spezialist zeigt seiner Gruppe an zukünftigen Fachplanern Licht, was hinter den Normen, technischen Angaben in Datenblättern, der menschlichen Wahrnehmung oder den physikalischen Grundlagen des Lichts steckt. Und noch viel mehr.
Das Auge taugt nicht als Luxmeter
Im April 2023 startete das Ausbildungsprogramm der Fegime-Großhändler als Teil einer Offensive für professionelle Beleuchtung. "Mit Ralf Leib und Lars Domann aus unserem Fachausschuss Licht haben wir die Weiterbildung entwickelt", sagt Stefan Wiech, Sortimentsleiter Lichttechnik in der Nürnberger Fegime-Zentrale. Seit März sorgt die erste Gruppe von zertifizierten Fachplanern Licht für professionelle Beleuchtung von Kundenprojekten.
Ende Oktober trifft sich die zweite Gruppe in der Fegime-Zentrale in Nürnberg für drei Tage, um ihre Ausbildung fortzusetzen. Immecke beginnt mit einer Wiederholung aus den ersten Treffen. Zur Wiederholung gehört auch sein Leitsatz "Das Auge taugt nicht als Luxmeter". Außerdem spießt er gerne Begriffe auf, die sich in Werbematerial oder Produktbeschreibungen finden, aber in der Lichtplanung wenig hilfreich sind. So ist der "Abstrahlwinkel" nicht definiert und in der Planung wertlos. Hilfreicher ist der Halbstreuwinkel – er ist klar beschrieben und somit vergleichbar. Er genügt zwar nicht alleine, um eine Leuchte zu beurteilen, ist aber ein brauchbarer Indikator.
Der Halbstreuwinkel hilft leider überhaupt nicht bei der Suche nach einem Wallwasher, einem essentiellen Produkt zur flächigen Beleuchtung einer Wand. Die Teilnehmer lernen, wie aufwändig die Suche nach einem Produkt sein kann. Bei spezifischen Aufgaben kann die große Auswahl der Hersteller auf ganz wenige passende Produkte schrumpfen. Zum Beweis hat Immecke fürs Seminar einen Zentner an Katalogen diverser Hersteller mitgebracht.
Auf die Wiederholung folgt das eigentliche Thema der drei Tage. Es geht um Normen und die korrekte Beleuchtung von Arbeitsplätzen. "Normen machen Spaß", sagt Immecke mit einem listigen Lächeln.
ASR 3.4 oder DIN 12464?
Bei jeder Beleuchtung eines Arbeitsplatzes taucht die Frage auf, welche Regeln gelten sollen. Hier kann man festhalten, dass die "Technischen Regeln für Arbeitsstätten" (ASR) in der aktuellen Fassung 3.4 in Deutschland immer gelten. Das steht auf der zweiten Seite des Dokuments ganz eindeutig. Aber welchen Status genießt dann die oft erwähnte und angewendete DIN EN 12464?
Die Antwort: Erstens gilt die Norm europaweit und soll dem Stand der Technik entsprechen – aber zweitens sollte sie ausdrücklich vereinbart werden, um Missverständnisse in den Ansprüchen an die Beleuchtung zu vermeiden. Die ASR 3.4 ist zumindest in Deutschland nicht zu diskutieren; sie gilt. Dabei ist es positiv, dass sich beide Regelwerke in vielen Aspekten sehr ähnlich sind.
Sicherheit, Normen und Nachhaltigkeit
Immecke sieht dennoch einen wesentlichen Unterschied zwischen ASR 3.4 und der DIN EN 12464: Die ASR hat die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz als Ziel, die Norm dagegen setzt den Akzent auf die Steigerung der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz.
Eine eher geringe Steigerung der Leistungsfähigkeit durch ein höheres, großflächiges Beleuchtungsniveau kann aber zu einem deutlichen Mehrbedarf an Leuchten und Energie führen. Das findet der Dozent bedenklich, da es in der Fertigung und vor allem im Betrieb zu einem deutlichen Anstieg der CO₂-Emissionen führt und dem Streben nach Nachhaltigkeit zuwiderläuft – einem großen Ziel nicht nur unserer Branche. Die Teilnehmer des Kurses lernen, abzuwägen und Lösungen zu finden, die sowohl Leistungsfähigkeit als auch Nachhaltigkeit im Blick behalten.
"Das vergessen die nie mehr"
Abwägung oder Interpretation sind keine Option, wenn es um die korrekte Beurteilung geht, ob ein Arbeitsplatz normgerecht beleuchtet ist. Als zukünftige Sachkundige müssen die Kursteilnehmer wissen, wie man das für Gutachten richtig durchmisst.
Für die große Praxisaufgabe der drei Tage werden zwei Konferenzräume der Fegime-Zentrale auf den Kopf gestellt. Es mischen sich Gruppenarbeit, Anwendung der Normen, körperliche Arbeit und Nachdenken. Die Räume sind komplett abzudunkeln, um Einflüsse durchs Tageslicht auszuschließen – und sie müssen nahezu leergeräumt werden, um "Schattenwerfer" wie Stühle zu vermeiden.
Dann wird berechnet, wie das Messraster angelegt werden muss. Danach werden viele Messpunkte am Boden markiert, an jedem Punkt die Beleuchtungsstärke in Lux gemessen und dokumentiert. Das ist mühsame Arbeit, wie Immecke aus der Praxis berichtet. Bei einer Sporthalle können es viele hundert Messpunkte sein, die man im Dunkeln, also bei einer Nachtschicht, messen muss.
In einem Raum stellt die Gruppe spät fest, dass sie den Sensor in einer Hängeleuchte nicht bemerkt hat, der die Messergebnisse verfälscht. Der Lichtdozent sieht die fragenden Gesichter und sagt hoch zufrieden: "Das vergessen die nie mehr".
Erste Erfolge und der Nutzen für die Kunden
Bis zur Prüfung vor der Handwerkskammer Saarbrücken im nächsten Frühjahr wird sich die Gruppe noch mehrmals treffen und lernen. Aber erste Lernerfolge haben bereits in der Praxis geholfen. Kursteilnehmer Bernhard Straß erzählt, dass ein Kunde einige ganz bestimmte Leuchten verlangte – UGR 19 sei wichtig. Weil Straß gelernt hatte, dass der UGR-Wert einer Leuchte immer mit dem Raum und Installationsort zusammenhängt, fragte er seinen Kunden nach den Details. Bernhard Straß: "Ich konnte meinem Kunden dann Leuchten empfehlen, die besser passen und die ich sogar am Lager hatte".
Die Lichtprofis der Fegime-Großhändler tragen jetzt dazu bei, dass immer mehr Projekte besser und normgerecht beleuchtet werden. Außerdem geht es nicht immer um Normen. Im Privatbereich darf man schließlich installieren, was gefällt – aber fachlich fundierte Tipps helfen sicher auch hier. Für dieses Ziel wird weiter investiert: Im nächsten Frühling startet die dritte Gruppe mit der Ausbildung zum Fachplaner Licht.